Tag 3: Zwischen schiefen Türmen und geraden Wegen

3. Okt. 2025 | 0 Kommentare

Der dritte Tag begann für mich in Döbeln mit einem Frühstück, das keine Wünsche offenließ. Da heute Feiertag war und ich unterwegs kaum auf geöffnete Geschäfte hoffen konnte, hatte ich mir vorsorglich schon gestern ein paar Snacks eingekauft. Eine kluge Entscheidung, wie sich später zeigen sollte.

Bevor ich zur heutigen Strecke komme, will ich noch ein Wort zum Hostel Döbeln bei Familie Binder verlieren. Wenn ihr einmal in Döbeln seid und keine vier Sterne braucht, sondern Herz und Charakter, dann schaut unbedingt dort vorbei. Was ursprünglich nur als Notlösung gedacht war – ein paar Unterkünfte für die Judojugend des Vereins – hat sich durch viel Hingabe und Liebe zu einem Ort mit Seele entwickelt. Vieles ist improvisiert oder selbstgemacht, aber mit so viel Herz gestaltet, dass es einfach beeindruckt. Für mich steckt darin eine klare Botschaft: Wenn man das was man tut, mit Liebe und Leidenschaft tut, wird es ganz von allein herausragend.

Mit diesem Gedanken im Kopf machte ich mich auf den Weg. Schon nach den ersten Kilometern kam ich durch Dörfer, die gegensätzlicher nicht hätten sein können. In manchen wirkte alles ungepflegt, als hätte man die Zeit angehalten. Zwei Orte weiter dagegen glänzten die Häuser, akkurat geschnittene Hecken, ordentliche Einfahrten. Und dann gab es noch ein Dorf, in dem beinahe jedes zweite Grundstück Figuren im Garten hatte – Gartenzwerge, Märchenfiguren, Waldgeister. Offenbar hatte jemand damit angefangen, und die anderen zogen nach. Das erinnerte mich an diesen Mitzieheffekt: Ein Nachbar kauft sich einen Mähroboter, und kurze Zeit später surren sie in allen Vorgärten. Oder gleich mehrere pflanzen japanische Wolkenkiefern, und plötzlich stehen sie an jeder Ecke. Es zeigt, wie sehr unser Umfeld uns prägt – negativ wie positiv.

Meine erste Pause machte ich in Jahna, an der Kirche mit dem berühmten schiefen Turm. Seit dem 16. Jahrhundert neigt er sich, und im 18. Jahrhundert bekam er noch eine neue Tür – natürlich kerzengerade. Das Zusammenspiel von schiefem Turm und gerader Tür ist so auffällig, dass es fast komisch wirkt. Genau hier entstand auch das heutige Beitragsbild. Für mich war dieser Turm heute ein Sinnbild: Wir versuchen oft, das Schiefe im Leben geradezubiegen. Aber eigentlich sind es doch gerade die krummen und schiefen Dinge, die es besonders machen und ihm Charakter verleihen. Wären alle Türme gerade, würde niemand über sie sprechen.

Von Jahna aus ging es weiter auf dem Jahnatalradweg nach Riesa. Dort merkte ich plötzlich, dass mein Hinterrad locker war. Zum Glück früh genug, bevor es ernster wurde. Ich zog es fest und kontrollierte gleich den ganzen Roller – tatsächlich fanden sich noch zwei, drei Schrauben, die sich ebenfalls gelockert hatten. Für mich eine klare Lektion: Ab sofort gibt es alle zwei Tage einen Technikcheck.

Auf den langen geraden Abschnitten begann ich mitzuzählen. Rund 180 Tritte pro Kilometer brauche ich, im Wechsel acht links, acht rechts. Hochgerechnet kam da heute einiges zusammen. Im Kampfsport sagt man, dass man eine Bewegung 10.000 Mal ausführen muss, um sie wirklich zu beherrschen. Heute habe ich diese Marke sicher geknackt – und wenn es beim Rollerfahren Gürtel gäbe, dann dürfte ich mir wohl ab sofort den gelben umbinden.

Die letzten 20 bis 25 Kilometer waren ein Traum. Die Strecke führte durch Wälder, vorbei an Feldern, Teichen und Kuhweiden. Das Wetter spielte perfekt mit: strahlender Sonnenschein, angenehme Temperaturen, blauer Himmel. Ein echter Roller-Tag, der die Anstrengung der vielen Tritte vergessen ließ.

Am Nachmittag erreichte ich Bad Liebenwerda. Jetzt noch schnell etwas essen, dann zeitig ins Bett – die letzten beiden Nächte waren nicht erholsam, und morgen wartet die wohl härteste Etappe bisher: knapp 80 Kilometer, fast ohne Entlastung durch Gefälle. Eine echte Herausforderung. Aber die verschiebe ich auf morgen. Heute bin ich einfach nur froh, angekommen zu sein.

Was ich mir aus diesem Tag mitgenommen habe

Heute habe ich wieder einmal spüren und erleben dürfen, dass Leidenschaft den Unterschied macht. Das Hostel in Döbeln ist dafür das beste Beispiel: Aus einer Notlösung wurde ein Ort, an dem man sich sofort wohlfühlt – weil Herz und Hingabe in jedem Detail stecken.

Ich habe außerdem gesehen, wie sehr unser Umfeld uns formt. So wie Dörfer durch gepflegte Gärten oder Gartenzwerge geprägt werden, so lassen auch Menschen sich beeinflussen – sei es bewusst oder unbewusst. Es lohnt sich, genau hinzuschauen, in welchem Umfeld man selbst unterwegs ist, und ob diese Umfeld einem hilft seine Ziele zu erreichen und das Leben zu führen, was man führen will – oder eben nicht.

Und schließlich der schiefe Turm: Nicht alles muss gerade sein. Das Schräge, das Ungewöhnliche, das Unperfekte – das ist es, was Geschichten schreibt.

Morgen wartet dann eine richtig harte Nuss: knapp 80 Kilometer liegen vor mir. In der näheren Umgebung habe ich keine Unterkunft gefunden, ohne weite Umwege fahren zu müssen – also bleibt mir nur die lange Strecke. Das Profil ist relativ gerade, was bedeutet: kaum Rollenlassen, dafür umso mehr Anschieben. Es werden also wieder unzählige Tritte werden, einer nach dem anderen.

Eine echte Herausforderung, aber auch ein weiterer Beweis dafür, dass man mit Geduld, Rhythmus und ein bisschen Sturheit weiterkommt, als man denkt.

👉 die Spendensumme ist nicht mehr weit von 1000€ entfernt – ein Wahnsinn!! Vielen Dank an alle die schon gespendet haben!

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Bis morgen

Dirk

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