Tag 5: Auf nach Berlin – zwischen Mut, Mauern und Motoren

5. Okt. 2025 | 0 Kommentare

Der neue Morgen begann mit Sonnenstrahlen, die durch mein Fenster fielen – und einem strahlend blauen Himmel, der mir bereits im ersten Licht versprach, dass heute etwas Besonderes möglich ist. Nach einem wirklich herrschaftlichen Frühstück machte ich mich auf den Weg Richtung Berlin – geplant waren 54 Kilometer für heute. Ich hatte bewusst entschieden, heute noch nicht durch das Brandenburger Tor zu fahren. Klar: Es wäre öffentlichkeitswirksamer gewesen, gerade an einem Sonntag mit vielen Touristen. Aber das Tor liegt noch etwa 8 Kilometer von meinem heutigen Etappenziel entfernt, und im Berliner Zentrum selbst hatte ich keinen adäquaten Übernachtungsplatz in Reichweite. Außerdem wusste ich: 20 Kilometer Verkehr, Bordsteinkanten und Fußwege in Berlin sind nicht vergleichbar mit 20 Kilometern durch Brandenburgs ruhige Waldwege.

Mein erster kurzer Halt war in einer kleinen Bäckerei, geöffnet an diesem Sonntagmorgen. Das Lokal heißt ReMatur – Rehagener Manufaktur GmbH. Gegründet wurde sie von zwei ehemaligen Musikern, die während der Pandemie kurzerhand den Mut fanden, eine Bäckerei zu eröffnen. Der Inhaber kam sofort heraus und fragte als Erstes, ob er meine Wasserflaschen auffüllen dürfe – nicht, ob ich etwas kaufen wolle. Diese spontane Hilfsbereitschaft hat mich wirklich beeindruckt. In der Auslage hing eine Postkarte mit dem kurzen Spruch: „Mut ist gut!“ – sie wurde heute zu meinem Beitragsbild, weil sich dieses Thema wie ein roter Faden durch den ganzen Tag zog.

Während ich weiterfuhr, dachte ich oft an das lange Gespräch vom Abend zuvor mit der Schlossherrin in Stülpe. Wir saßen über anderthalb Stunden beim Abendessen zusammen, und sie erzählte von ihren Kämpfen mit Agrargenossenschaften, politischen Vorgaben und der komplizierten Historie von Landgütern. Wie schwierig Restaurierungen, Eigentumsfragen und finanzielle Belastungen sind – und wie intensiv der Wille sein muss, weiterzumachen, obwohl man oft nicht weiß, wie lange ein Wiederaufbau dauert oder ob er gelingt. Dieser rote Faden von Mut, Beharrlichkeit und dem Ringen mit der Realität zog sich heute in vielen Gedanken mit.

Je näher ich Berlin kam, desto deutlicher spürte ich den Wandel. Unter startenden Flugzeugen am Flughafen Schönefeld durchzufahren war ein Moment voller Kontraste: die Freiheit des Himmels – gleichzeitig das Dröhnen der Triebwerke, der Alltag auf der Erde. Im Speckgürtel verschoben sich die Räume: Grundstücke mit hohen, blickdichten Zäunen, abgeschirmt, privat. Wo vorher Offenheit war, setzte jetzt Abschottung ein. In einem einzigen Tag spürte ich, wie unterschiedlich Regionen und Menschen sind – und wie sehr auch innerhalb kleiner Räume große Unterschiede sichtbar werden. Es gibt nicht DEN Brandenburger oder DEN Sachsen, sondern viele, viele individuelle Lebenswirklichkeiten – und man spürt manchmal eine Grundhaltung, je nach Region, in kleinen Zügen.

Die letzten 10 Kilometer ins Berliner Zentrum waren eine zähe Prüfung. Ich übernachte heute in Tempelhof, aber diese letzten Kilometer brachten mich an meine Grenzen. Die Straße war keine Option mehr – zu riskant mit dem tiefen Roller, zu wenig Raum und zu viel Verkehr. Ein vorbeifahrendes Auto fuhr so dicht an mir vorbei, dass ich den Luftzug des Außenspiegels deutlich an meinem Arm spürte – ein kurzer Schreckmoment, der mir zeigte, wie wenig Rücksicht viele Verkehrsteilnehmer nehmen. Also wechselte ich auf die Radwege. Diese waren holprig, voller Kanten und unebener Abschnitte – ich setzte ständig auf, verlor an Rhythmus, Ampeln zerrissen jeden Fluss. Für diese 10 Kilometer brauchte ich über eineinhalb Stunden. Aber das war mir bewusst – das gehört dazu. Morgen stehen die letzten paar Kilometer an zum Brandenburger Tor, und dann raus aus der Stadt, zurück auf die langen Strecken, auf denen man wirklich rollen kann.

Rückblickend war es ein durchwachsener Roller-Tag: Ein Anfang mit Potenzial, dann zunehmend Wechsel zwischen guten und schlechten Wegen, mehr Verkehr, mehr Aufwand. Aber ich wusste von Anfang an, dass es so kommen könnte.

Was ich mir aus diesem Tag mitgenommen habe

Ich habe erfahren, dass Mut sich nicht darin zeigt, keine Angst zu haben – sondern darin, trotz Unsicherheit und Gegenwind weiterzugehen. Die Postkarte „Mut ist gut!“ im Bäckerladen bleibt für mich ein kleines Symbol, ein Leuchtzeichen für diesen Tag.

Das Gespräch mit der Schlossherrin erinnerte mich daran: Große Projekte bedeuten oft ständiges Ringen, Rückschläge und Ungewissheit – aber auch die Kraft, weiterzumachen. Manchmal ist Durchhalten der mutigste Akt von allen.

Und schließlich hat mich der Gegensatz zwischen der Weite der ländlichen Wege und der Enge der Stadt an etwas Wichtiges erinnert: In der Natur fließt alles offen, während in der Stadt jedes Geräusch, jeder Gedanke auf engen Raum prallt. Vielleicht liegt der Schlüssel darin, sich innere Weite zu bewahren – den Raum zum Atmen, zum Denken, zum Menschsein. Dann kann man selbst in der Enge frei bleiben.

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Bis morgen

Dirk

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